England hat mit Agatha Christie die Klassiker der Kriminalromane hervorgebracht. Der Klassiker der Abenteuererzählungen wurde am 12. Januar 1876, in San Francisco geboren: Jack London. Dieser „Rauhreiter der Literatur“, wie man den unehelichen Sohn eines Philosophen, Astrologen und Wanderpredigers genannt hat, war der erste ausgeprägte Typ einer Schriftstellergeneration, die ihre spannungsgeladenen Stoffe der abenteuerlichen Fülle persönlichen Erlebens verdankt.
Wie Charles Dickens und Thomas Wolfe lernte Jack London bereits als Schuljunge die Härte des Lebens kennen. Schon am frühen Morgen raufte er sich mit anderen Zeitungsjungen, sonntags fuhr er einen Eiswagen durch die Straßen, und die Nächte verbrachte er als Kegeljunge in den verrauchten, düsteren Kneipen seiner Heimatstadt.
Der flachsblonde, kräftig gebaute Junge war dieser Arbeit zwar physisch gewachsen, aber sein Wissensdrang und die Abenteuerlust ließen ihn die Ketten des Erwerbszwangs brechen.
Mit 15 Jahren kreuzte Jack London als jüngster Kapitän der Austernpiraten durch die Bay von San Francisco. Er stellte einen Segelrekord auf und schlug sich mit Matrosen, Kellnern und Spielern. In seiner Kajüte verschlang er die Werke der Weltliteratur. In der Gesellschaft trinkfester Männer war er in der Lage, zwei Liter Gin oder Rum ohne körperliche Schäden herunterzuschütten. Als Landstreicher und Abenteurer des Schienenstranges registrierte er wie ein Seismograph dieses Leben und gestaltete damit seine späteren Werke.
Mit einem Notizbuch in der Tasche tauchte er später in den Goldgräber-Lagern von Alaska auf. Dort saß er stundenlang in den Kneipen und lauschte den Geschichten der Glücksritter aus aller Welt. Daneben erwarb er sich den Ruf eines waghalsigen Floßfahrers. Schließlich kehrte er verarmt in sein Elternhaus zurück. Mit 19 Jahren beschloß er, sich auf das Studium vorzubereiten und besuchte die Anfangsklasse des Gymnasiums von Oakland. Darwin, Spencer, Marx wurden seine geistigen Vorbilder, Kipling und Stevenson seine literarischen. In öffentlichen Versammlungen predigte er den Sozialismus.
In wenigen Monaten erwarb er die Hochschulreife. Gleichzeitig begann er, mit Kurzgeschichten einen Zeitschriftenverlag nach dem andern aufzusuchen. Aber seine zeit- und sozialkritischen Veröffentlichungen, die in das schläfrige Gewissen eines gut saturierten Bürgertums der Gründerjahre zielten, fanden nur allmählich den Weg in die Öffentlichkeit. Völlig am Ende, erreichte ihn doch ein Angebot einer amerikanischen Wochenzeitschrift.
Nun ging es schnell aufwärts. Im Jahr 1913 war Jack London der höchstbezahlte Autor der Welt. Doppelgänger traten in seiner Leinenjacke und seinem Farmerhut auf, um von seiner Popularität zu profitieren. Seine Bücher Ruf der Wildnis, Martin Eden und Der Seewolf, um nur einige zu nennen gingen in allen Sprachen um die Welt.
Noch immer war Jack London auf der Suche nach der Wahrheit, nach lebensnahem Stoff für seine Romane. Er schrieb über den Russisch-Japanischen Krieg, quartierte sich in den Elendsvierteln von London ein, schlief mit Dieben im Park und kehrte in zerlumpter Kleidung, aber mit einer Fülle neuen Materials nach Amerika zurück.
Jack London starb im Alter von vierzig Jahren auf seiner Farm in Glen Ellen, Sonoma County. Die früher weithin vertretene Auffassung, London habe seinem Leben selbst ein Ende gesetzt, gilt heute als umstritten.